Die „Geschäftsleute“ Krzysztof Krupniak und Radoslaw Kleinert treffen sich nach Jahren wieder in Schlesien, in dem Ort, aus dem sie beide stammen, an einer Tankstelle.

Krzysztof Krupniak fuhr gerne zum Tanken. Es gab ihm jedes Mal ein gutes Gefühl. Hier war er aufgewachsen, man kannte ihn. Oft traf er einen Freund oder Bekannten, den er seit Jahren nicht mehr gesehen hatte. Er war vorher noch zum Barbier gegangen, hatte sich seinen Bart stutzen und sein Haupthaar hochrasieren lassen. Eine Duftwolke umhüllte seine teigige Gestalt, als er sich auf das Kabuff zuwälzte, um seine Tankfüllung zu bezahlen. Wenn er seine Mutter besuchte, tankte er immer hier bei Radoslaw Kleinert mitten im Ort. Kleinert schraubte meistens an irgendeinem Gebrauchtwagen herum, kam aber stets auf ein Schwätzchen aus der Werkstatt, wenn er mitbekam, dass Krupniak da war und bei seiner Frau in der Baracke zahlte. Kleinert war klein und drahtig, etwa vierzig Jahre alt. Jahrein jahraus trug er denselben Overall, dessen Farbe nicht wiedergegeben werden kann, da der Arbeitsanzug aus einem einzigen Schmierölflecken bestand, der nur hie und da Reste des eigentlichen Gewebes durchscheinen und eine Farbe erahnen ließ, die vielleicht einmal Dunkelblau hätte sein können. Die Farbe seiner Hände stand im Einklang mit seinem Arbeitsanzug. Wie ein Bergmann, der sich am liebsten mit kohlenstaubverschmiertem Gesicht ablichten lässt, trug auch Adam sein schmutzig-öliges Äußeres mit Stolz als Merkmal eines tüchtigen und geschickten Mechanikers, der sich nicht scheut, sich die Hände schmutzig zu machen. Saubere Hände hatte er nur einmal im Jahr, nämlich am Ende seines einwöchigen Urlaubs, den er mit seiner zehn Jahre jüngeren, etwas drallen, aber hübschen Frau Elżbieta in einer Ferienanlage, die noch aus Zeiten des Sozialismus stammte, an der Ostsee verbrachte. Seinem Schwager, der ihn an der Tankstelle solange vertrat, traute er nicht. Er nahm seine sauberen Hände als Zeichen, dass er wieder zur Arbeit müsse und gegen den heftigen Protest seiner Frau, die jedes Mal das Zimmer für zwei Wochen reserviert hatte, reisten sie ab.

Überhaupt, seine Frau Elżbieta. In ihrer Jugend war sie die Rummelplatzkönigin des ganzen Bezirks gewesen, die es nicht so genau nahm und hinter den Schaustellerbuden die Jungs ranließ. Man schrieb Radoslaw besondere Qualitäten in dieser Hinsicht zu. Sein Äußeres konnte es nicht gewesen sein, was Elżbieta dazu bewegte, mit ihm vor den Altar zu treten, denn er hatte um das Kinn herum faltige, pergamentartige Haut, die davon herrührte, dass ihm als Lehrling ein Geselle einen Streich gespielt hatte. Als Kleinert sich gerade über einen Motorblock gebeugt hatte, hatte der Geselle den Kühlerdeckel geöffnet und das herausschießende kochende Wasser hatte Adams Haut abgelöst.

Im Dorf ging die Rede von beträchtlichem Vermögen Radoslaw Kleinerts, der neben Tankstelle und Werkstatt auch noch zwei Lastwagen besaß für die er als Fahrer zwei Weißrussen angeheuert hatte. Man sprach davon, Kleinert nähme es nicht so genau und würde kein gewinnträchtiges Geschäft ausschlagen.

Das Geld also, so stellten die maßgebenden Stimmen im Dorf fest, war es, was die Rummelplatzkönigin, die mit Mitte zwanzig ihren Zenit schon überschritten hatte, an den Altar brachte und nicht die Leibesfrucht, die sie trug, für die Kleinert keinesfalls die Verantwortung zu übernehmen gedachte, da er heftige Zweifel an seiner Vaterschaft hegte.

Eine kundige Frau in Kattowitz löste das Problem, noch bevor es offenkundig wurde. Kleinert übernahm die Kosten und passte seitdem sorgfältig auf, dass er im Wiederholungsfall wenigstens sicher sein könnte, zu Recht als Vater angesehen zu werden. Der Wiederholungsfall war in den zehn Jahren seither nicht eingetreten. Die kundige Frau aus Kattowitz war in der weiblichen Anatomie doch nicht so ganz sattelfest gewesen und hatte, nicht nur bei der Rummelplatzkönigin Elżbieta, sondern auch in zahlreichen anderen Fällen unabsichtlich in Überschreitung ihres Auftrages nicht nur das jeweils aktuelle Problem der Frauen gelöst, sondern auch dem Entstehen künftiger Probleme einen Riegel vorgeschoben.

Krupniaks Hemd in altrosa saß etwas knapp und ließ ihn wie eine überreife Brombeere wirken. Er selbst fand sich damit und in seiner weißen Hose todschick gekleidet, als er in die Kassenbaracke eintrat und dabei den Wagenschlüssel mit einem kleinen Goldbarren als Schlüsselanhänger schlenkerte, um zu zahlen und ein wenig mit Elżbieta zu schäkern. Sie war in seinem Alter und ihn verbanden mit ihr aus der Jugendzeit zwei oder drei brünstige Erlebnisse am Bahndamm. Die Tür war hinter ihm noch nicht ganz zugefallen, als Kleinert, sich den gröbsten Schmutz mit einem kaum noch aufnahmefähigen Lappen von den Händen reibend, hinzukam. Er traute weder dem Dickwanst noch seiner Elżbieta.

„Na Krupniak, wie gehts? Auch wieder einmal im Land?“

„Ich besuche meine Mutter. Sie hat am Samstag Geburtstag. Seit mein Vater gestorben ist, komme ich wenigstens alle Vierteljahre bei ihr vorbei.“

„Bleibst du länger?“

„Bis Ende nächster Woche. Ich habe in der Gegend noch ein paar Geschäfte zu erledigen.“

„Ich wollte auch noch etwas Geschäftliches mit dir besprechen.“

„Sag schon, was denn?“

„Nicht jetzt und hier.“

Elżbieta hinter der Kasse funkelte ihren Radoslaw an und schob ihr Kinn vor. Als sie mitbekam, wie sich die beiden für den nächsten Abend zu ihrer Geschäftsbesprechung in der „Crazy Bar“ verabredeten, verschwand sie mit einem heftigen Türknall im Nebenraum.

„Ich wüsste übrigens einen Käufer für deinen Bentley“, setzte Kleinert das Gespräch fort.

„Nein, nein, lass mal. Den Wagen behalte ich“, wehrte Krupniak ab, zahlte und ging.

„Bis morgen.“

„Ist wohl nur geleast!“, höhnte Kleinert. „Bis morgen!“

Die „Crazy Bar“ lag etwa einen Kilometer vom Dorf entfernt. Eine Seite des Parks des ehemaligen Herrenhauses grenzte an den Wald, im Übrigen war der Zamek, wie die Dorfbewohner das Anwesen nannten, von Äckern umgeben, ein ehemaliger Fischteich war versumpft. Nach dem Krieg hatte das Herrenhaus viele Jahre als Getreidespeicher gedient. Dann hatte es ein Investor übernommen, der wenigstens das Dach reparieren ließ und das Gebäude so vor dem Verfall rettete. Bevor er das Anwesen mit umliegendem Park und Äckern jedoch zu einem luxuriösen „Golf-Resort“ mit Hotel, „Spa“ und 18-Loch-Golfplatz ausbauen konnte, ging ihm das Geld aus. Die Liegenschaft wurde versteigert und wechselte danach auch noch zweimal den Besitzer, bevor Maria Magdalena Kaluza, in einschlägigen Kreisen als die „oberschlesische Puffmutter“ bekannt, mit ihrem Lebensgefährten Bogumil, einem deutlich jüngeren, sehr kräftig gebauten Mann aus der Branche aus dem Zamek die „Crazy Bar“ mit angeschlossenen Zimmern machte.

Als Krupniak eintraf, war der Parkplatz nur schwach belegt. Er drückte dem Parkwächter keinen Zloty-Schein, sondern fünfzig Euro die Hand und sagte: „Mein Bentley hier hat mehr gekostet, als du in zehn Jahren verdienst. Pass gut auf ihn auf. Wenn auch nur ein Kratzer drankommt, mach ich dich platt.“

Drinnen setzte er sich nicht an die Bar, sondern an einen etwas abgelegenen Tisch in der Ecke und bestellte einen Lagavulin. Ein Mädchen, das sich zu ihm setzen wollte, scheuchte er mit einer Handbewegung weg. Es war nicht viel los. Ein paar Männer, die der Kleidung nach auf Montage unterwegs waren, stierten in ihre Biergläser und wechselten von Zeit zu Zeit ein paar Worte. Bardamen standen hinter dem Ausschank in einer Ecke und schwatzten. Offensichtlich war mit den Monteuren kein größeres Geschäft zu machen. Aus den Lautsprechern dudelte Plastikpop. Auf einem Bildschirm lief ein Bericht über eine Frau mit dem angeblich dicksten Po der Welt.

In dem trüben lila Licht hätte Krupniak Radoslaw Kleinert beinahe nicht erkannt, der sich suchend umblickte. Er hatte sich mit T-Shirt und Jeans fein gemacht, bestellte ein Bier und nahm einen tiefen Zug. Krupniak stellte amüsiert fest, dass nach dem Absetzen auf dem Glas sogar bei dem gedämpften Licht Kleinerts Fingerabdrücke deutlich erkennbar waren.

Nach kurzem Geplauder kam Kleinert bald zur Sache:

„Hast du schon einmal von dem Schmierölgeschäft gehört?“

„Nein, wie kommst du darauf? Ich verkaufe Finanzprodukte und Immobilien.“